Medienagentur wird autarker...
Wir wollen autarker werden. Nachdem wir bereits 2017 auf dem Dach der Medienagentur eine 30KWp Photovoltaikanlage installiert haben, wollten wir mehr Autarkie. Es stellte sich schnell heraus, dass wir (2018) mit einer 33000 KW Jahresproduktion mehr Energie erzeugten, als wir verbrauchten. 50% unseres Bedarfs konnten wir 2020 direkt vom Dach weg nutzen. Ohne Strom und Gas von außen geht es natürlich nicht… (vgl. unsere Energiebilanz 2019)
Unseren Eigenverbrauchsanteil weiter zu erhöhen, war nun unser Wunsch. Weiterhin haben wir Serversysteme für unsere Werbeagentur, die mit Renderprozessen oder als Storragesystem arbeiten. Zeitweise betreiben wir auch Crypto-Miner. Allen gemeinsam ist, dass deren Verbrauch vorhersehbar ist.
Erweiterung unserer sozialen Mitarbeiter Räume im Außenbereich
Außerdem wollten wir für die Mitarbeiter einen weiteren Sozialraum im Freien schaffen. Begeistert waren wir, als wir die ersten Photovoltaiküberdachungen im Internet gesehen haben.
Nach kurzer Googlerecherche war klar, beide Wünsche in einem Projekt umzusetzen wäre verdammt teuer!
E3DC Pro System mit 20KW Speicher 20.000,- EUR
Photovoltaikcarport 10KWp inkl. Aufbau 30.000,- EUR
50.000EUR +X Das war es uns nicht wert!!!
Unser Ansatz:
Wir haben einen gebrauchten Seecontainer gekauft und diesen direkt im Hafen mit 2k neu lackieren lassen (5000 EUR). Auf diesen haben wir mit angebautem Vordach eine 10KW Photovoltaikanlage installiert. Die Konstruktion gilt als "Fliegender Bau" und war schnell genehmigt (Gewerbegebiet).
Als Wechselrichter haben wir einen Deye Hybrid 8K im Einsatz. Es handelt sich bei diesem WR im Endeffekt um die chinesische Alternative zum E3DC System.
Die Vorteile des Deye Hybrid Inverters:
- Kostet mit 1650 EUR nur einen Bruchteil
- Kann mit 48V LFP (Lithium-Eisenphosphat) Akkus betrieben werden(diese sind sehr preisgünstig)
- Die Installation ist, dank guter Beschreibung, kinderleicht
Nachteile:
- Der Support ist wahrscheinlich nicht so gut wie der von E3DC (aber die Chinesen waren stets zu Diensten und sind auch jetzt, nach dem Kauf für jede Rückfrage erreichbar)
- Die Lieferzeit aus China beträgt i.d.R. 6-8 Wochen
- Der Zoll mag keinen Import von Akkus und stellte viele Rückfragen
- E3DC hat eine sehr schöne Benutzeroberfläche. Deye hat „nur“ ein farbiges Touchdisplay und einen Datenlogger der über die App „Solarman“ die Daten auslesbar macht. Unser Deye Wechselrichter ist also nicht fernkonfigurierbar
Für uns waren die Nachteile kein Hinderungsgrund und der Preis war einfach eine Verlockung. Als der Seecontainer aus Rotterdam geliefert wurde, haben wir auch gleich im lokalen Metallwarenhandel Aluprofile gekauft. Mit diesen hatten wir schon in der Vergangenheit erfolgreich Anlagen errichtet. Im Gegensatz zu den üblichen PV Profilen haben wir aber wesentlich massivere erworben. Wir wissen aus Erfahrung, dass Schilder und Werbeanlagen oft mit 2mm Profilstärke errichtet werden und trotz schwerer ESG und VSG Verglasung seit 10 Jahren solide seinen Dienst verrichtet. So haben wir uns für 3mm Alurechteckträger in der Bemaßung 80x80mm und 40x80mm entschieden (Materialkosten Aluminium 600 EUR). Weiterhin brauchten wir eine Kappsäge und ein Schweißgerät. Beide Werkzeuge haben wir bei Lidl gefunden, im Onlineshop. (Tipp: Youtube-Video Alu schweißen mit dem Lidl Schweißgerät) Als Akku haben wir 2x 10KW 48V LFP Akkus bei Alibaba gekauft 2x 1500 EUR. Module haben wir 18x 555w Mono Halbzellen (182mm Wafer) gekauft, diese bestehen aus 2 verklebten Teilflächen. Die Halteklammern sind von Renosol, sowie 6mm Solarkabel. Alles zusammen nochmal 2500,- EUR.
Teil-Verschattung / Modulausrichtung
Die Halbzellennmodule haben wir so angeordnet, dass die durch das Gebäude besonders in Herbst und Winter vorhandene Teil-Verschattung zu begegnen ist, d.h. 90 Grad zum Gebäude. 2 Strings. Weiterhin haben wir 1,5 Grad Gefälle nach Westen. Der Wasserablauf ist somit gewährleistet. Durch die flache Ausrichtung hat der Wind sehr wenig Angriffsfläche. So bekommen wir auf die Fläche gesehen am meisten PV Module unter, ohne die Überdachungsfunktion zu verlieren.
Alle unsere Anlagen betreiben wir mit sehr wenig Gefälle. Dafür aber mit maximaler PV Fläche und die Resultate geben uns Recht. Vor allem ist die flache Montage meist die günstigste und stabilste Variante. Heutige Module brauchen keine perfekte Sonnenausrichtung mehr!
Selbstverbrauch / Verschattung / Reflexion
Ein Hybrid Wechselrichter braucht i.d.R mehr Strom, als ein nicht Hybridsystem. Der Mehrverbrauch kann durchaus mehr als 1 KW pro Tag ausmachen. Der Deye hat je nach Lastbereich einen gesamten Eigenverbrauch von 50-100w. Wenn man jedoch betrachtet, dass das Gerät aus 900v und 48V Gleichspannung, sowie 400V 3 Phasen Wechselspannung hin und her moduliert, ist dies sicher ein vertretbarer Wert. An der Leistungskurve ist deutlich zu erkennen, dass durch die Teilverschattung, gerade jetzt im Herbst, besonders in den Morgenstunden nicht das volle Sonnenpotential zur Verfügung steht. Im Vergleich zu den anderen Leistungskurven unserer PV Anlagen auf dem Grundstück, z.B. mit 5 Grad Süd Ausrichtung ohne Verschattung, ist zu erkennen, dass scheinbar die Reflexionen an der Gebäudewand im Abendbereich vorteilhaft sind und somit zu einem kleinen Mehrertrag führen. Guckt man genau hin, sieht man förmlich wie es sprunghaft zur Leistungszunahme kommt. Hier sehen wir auch einen Vorteil der Halbzellen Module, die auch Strom produzieren, wenn eine Hälfte im Schatten liegt. Sobald ein String, bzw. ein ganzes Modul schattenfrei ist, kommt es zu den sprunghaften Leistungsschüben. Wir gehen davon aus, dass im Sommer aufgrund des höheren Sonnenstandes, dieser Effekt kleiner wird und eine schöne runde Leistungsparabel sichtbar ist. Grundsätzlich sind Anlagen mit flachen Modulanordnungen im Herbst und Winter immer schwächer als aufgrichtete Module. Über die Jahresbilanz sehen wir allerdings bei heutigen Modulen keinen Unterschied mehr, denn den Verlust holen wir durch mehr Fläche und im Sommer wieder raus. Weiterhin ist mir als Medienfachwirt die Optik auch nicht ganz egal und diese flachen Flächen finde ich wesentlich harmonischer.
Überdachung / Photovoltaik Terrassendach
Die Sommermonate waren herrlich, wir haben mehrere Grillfeste mit dem Dach absolviert. Egal ob Sonne, Wind oder Regen - man hält sich gerne darunter auf. Die Optik finden wir persönlich sehr reizvoll. Die Kabel haben wir mit Hilfe eines Kabelkanals verschwinden lassen. Für die dunkle Jahreszeit haben wir noch 2 LED Feuchtraum-Röhren installiert (9 EUR Baumarkt). Auch der Seecontainer, der sich normalerweise bedingt durch die fehlende Isolierung gerade im Sommer schnell aufheizte, profitiert immens durch die aufgebrachte Photovoltaikanlage. Die Luftschicht zwischen PV Modul und Containeroberfläche wirkt stark isolierend. Wir waren erstaunt, wie positiv sich das Klima dadurch im Container verbessert hat.
Befestigung am Boden
Neben den Aluprofilen, die man problemlos und günstig als 6m Längen kaufen kann, hat ein schlauer Mensch den Chemie-Dübel erfunden. Dieser, in Kombination mit Gewindestangen im Betonkantstein bzw. der Mauerscheibe, ergibt die ideale Befestigung der tragenden Säulen und ist zudem auch wieder demontierbar - was für die Abschreibungsdauer und Genehmigung von Belang ist.
Installation Wechselrichter und Akkus
Die Installation war rückblickend sehr einfach. Beim Wechselrichter ist alles dabei und durch den Farbtouchscreen und die grafische Benutzeroberfläche auf englisch, im Endeffekt „idiotensicher“. Es gibt viele weitere Einsatzmöglichkeiten die Lust auf neue Projekte machen.
z.B.:
- Anschluss Dieselstromaggregat
- Aufbau Notstromnetz
- Parallelschaltung mit anderen Wechselrichtern
- Intelligentes Strom-Management (Im Grunde das, was man von E3DC kennt, wobei es sich um eine eigene Lösung handelt)
Da wir unsere Verbrauchskurve kennen und diese sich i.d.R. nicht verändert war uns wichtig, dass alles automatisch läuft. Wir haben daher per manueller Einstellung, Lade- und Entladezeiten eingestellt. Kleine Besonderheit, die Strings haben wir mit MC4 Zwischenstecker-Sicherungen abgesichert (weltklasse plug&play Produkt) kann man nur weiterempfehlen.
Spass und Freunde
Der Bau der PV Anlage hat wahnsinnig Spaß gemacht, wir haben viel gelernt und möchten weitere Anlagen bauen. Damit dies möglich war, haben wir die Waren in einem Sammelcontainer aus China importiert. Ein paar Freunde haben sich angeschlossen und so haben wir zusammen eingekauft. Sicher wird es bald ähnliche Anlagen in unserer Region geben ;-). So werden wir auch die nächsten Anlagen bauen. Das Preisgefälle zwischen:
- In Asien kaufen, importieren und selber aufbauen --- im Vergleich zu ---
- Eine Firma beauftragen
ist sehr groß (deutsche Großhandelspreise -30% entspricht ungefähr dem Einkaufspreis in Asien).
Seefracht und Einfuhr in den Schengen Raum
Damit die Photovoltaikausrüstung möglichst günstig wird, haben wir mit Freunden eine Einkaufsgemeinschaft gebildet, sodass wir genug Ware für einen eigenen Sammelcontainer hatten. Man muss wissen, dass zur jetzigen Zeit auch die Ausfuhr aus China nicht immer reibungslos verläuft. So wurde unser Container am Hafen von Shenzhen, wegen angeblicher Explosionsgefährdung oder Brandgefahr, abgelehnt (LFP Akkus). Wir mussten somit einen Umweg über Shang Hai in Kauf nehmen, wo es niemanden interessiert hat. Dort hat man keine großen Fragen gestellt. Mit Cosco, der chinesischen Staatsreederei, ging es dann über Singapur, vorbei an Indien, durch den Suezkanal, mit einen Zwischenstopp in Griechenland, durch die Straße von Gibraltar, nach Rotterdam. Hier haben wir den Fehler gemacht, den Container im Hafen abladen zu lassen und die Ware per LKW zustellen zulassen. Die Hafengebühren in Rotterdam sind teurer als der eigentliche Transport. Beim nächsten Mal lassen wir die Ware auf einen Zug verladen (somit zahlt man nur 1 Hub) und holen die Ware im Inland ab. Auch der deutsche Zoll wollte einiges wissen. Es scheint nicht oft vorzukommen, dass Unternehmer sich einen Container voll Photovoltaik packen und die Ware dann einführen wollen. Die passende Zolltarifnummer, die wir uns im Netz rausgesucht haben, war doch eher ausgefallen, wenn man die Produktbezeichnung betrachtet, denn eine sog. TARIC Nummer für z.B. Photovoltaik Module gib es nicht, sie nannten es "lichtempfindliche Photodioden" oder so ähnlich… Alles in Allem war unsere Ware 8 Wochen unterwegs.
Live Tracking:
Live Tracking COSCO-GEMINI-IMO-9783526-MMSI-477154700
Finanzen & Rendite
Die Anlage ohne Seecontainer hat rund 10.000 EUR gekostet. Bei einem jährlichen Stromertrag von 9000KWh zu je 0,3EUR / KWh ergibt dies einen Jahresertrag von 2.700 EUR. Weiterhin zu berücksichtigen sind Wartung, Reinigung, Kapitalverzinsung, Strompreissteigerung, etc. Teilweise summieren sich Faktoren gegeneinander zu null, bzw. weitere Faktoren können nicht eindeutig festgelegt werden, daher rechnen wir wie folgt; 10.000 EUR Investition / 2.500 EUR Jahresertrag ergibt eine ROI von
4 Jahren
Durch den Akku ergibt sich eine Anlagen-Abschreibung (AfA) von 10 Jahren für Unternehmer. Im Hinblick auf die Abschreibedauer ergeben sich rund 27.000 EUR Einnahmen (270% Rendite). Das Ausfallrisiko der Anlage verrechne ich mit der erhöhten Versorgungssicherheit und Schutz vor Strompreissteigerung. Ein nach der Abschreibung ggf. vorhandener Restwert würde die Rendite weiter erhöhen. Wir halten daher auf 10 Jahre gesehen eine Brutto-Rendite von 300% für möglich.
Die Rendite Verbesserung durch den Betrieb von Cryptominern haben wir in diesem Artikel nicht betrachtet, vielleicht werden wir den Text diesbezüglich später updaten.
Eine weitere Optimierung ist durch KfW Kredit mit 30% Tilgungszuschuss möglich (KfW Programm 230 in Kooperation mit dem Bundesumweltministerium Stand: 14.10.2021). Für dieses Projekt haben wir nicht auf die Förderung zurückgriffen, es hätte sich aber durchaus gelohnt ;-) Wichtig: Der Förderantrag muss zwingend vor Projektbeginn gestellt werden!
(KfW Programm 230)
Alternativ könnte auch das KfW Programm 380 interessant sein, bei Zinsen von 0,01% (Stand 13.10.2021) in Verbindung mit der jetzigen Inflation würde es durchaus Sinn machen.
(KFW Programm 380)
Weiterhin können auch Programme der Landesbanken bzw. kommunale Förderprogramme angezapft werden, wie Z.B. die Förderung der Stadt Aachen www.aachen.de/solar.
(Solar Förderung der Stadt Aachen)
Projekte zurzeit im Bau oder Planung:
- vertikal bifaciale Photovoltaikanlage
- eLadestation aus Edelstahl (ebay Einzelteile)
- eBike Range Extender
- Plug&Play Photovoltaikanlage mit Balkonbefestigung
- Neue Container Sammelbestellung Photovoltaik und Akku´s
Allgemeiner Hinweis:
Unser Projektbericht soll niemandem als Anleitung zum Selbstbau dienen. Wer keine Elektrofachkraft ist, sollte zumindest mit einer befreundet sein ;-). Alle, die in der Region Aachen ebenfalls Interesse an Photovoltaik etc. haben, sind herzlich zum Gedankenaustausch eingeladen.
Bitte meldet euch vorher an… wir treffen uns meistens:
Freitags um 18Uhr in der Medienagentur